Donnerstag, 19. Februar 2009

Rätselhafte Gebetsstäbe


Imitationsmagie als Folge unverstandener Technik?



Gisela Ermel



In: Ancient Skies, Nr. 4/1998






Viele alte Völker benutzten sogenannte "Gebetsstäbe", um über sie die Kommunikation mit ihren Göttern oder Geistern aufrecht zu erhalten. Sogar heute noch finden sich Formen dieser Art des Zwiegesprächs mit himmlischen Wesen auf unserer Erde, etwa in der koptisch-christlichen Kirche Äthiopiens. Vieles deutet darauf hin, dass wir es hier mit einem weiteren Beispiel für missverstandene Technologie, das heisst mit der Ausbildung eines spezifischen Cargo-Kultes, zu tun haben.






Die fremden Wesen, die unsere Erde einst besuchten, wurden von unseren Vorfahren als "Götter" mystifiziert, bestaunt und imitiert - ganz ähnlich, wie wir dies noch heute bei den sogenannten Cargo-Kulten beobachten können. In dieser Hinsicht hat die ethnologische Forschung schon oftmals - in vielen Fällen freilich eher ungewollt - Ergebnisse geliefert, die zu wichtigen Indizien unserer Paläo-SETI-Hypothesen geworden sind. Dies betrifft auch den Aspekt der von Ethnologen so genannten "Imitationsmagie".






Aus unserer Sicht der Dinge betrachtet ist "Imitationsmagie" eine Folge der Konfrontation einer primitiven Kultur mit einer hochentwickelten technologischen Zivilisation: unverstandene Technik wird als "Zauber" oder "Magie" (fehl-)interpretiert und mit einfachen Mitteln nachgeahmt. Diese Nachahmung erfolgt in dem Bedürfnis, den gleichen "Zauber" zu bewirken. Ein gutes Beispiel für "Imitationsmagie" sind die sogenannten Gebetsstäbe.






Für die Ainu, die Ureinwohner Japans, spielten Gebetsstäbe bis in das normale Alltagsleben hinein eine grosse Rolle. Sie nannten diese Stäbe Inao. Es handelte sich dabei um dünne, manchmal leicht verzierte Stöcke von meist 30 bis 65 Zentimetern Länge.


Ein Ainu schnitzt einen Gebetsstab




Ein Inao galt als "Mittler" zwischen den Göttern und den Menschen und war bei jedem Gebet (sprich: "Gespräch" zu oder mit den Himmlischen) ein unverzichtbarer Gegenstand. Hatte man zum Beispiel bei der Jagd keinen Gebetsstab zur Hand, musste man sich einen solchen aus Ästen zurechtschneiden. Ansonsten konnte man die Götter von bestimmten Stellen aus "anrufen", an denen solche Stäbe aufgestellt waren.


Es gab aber einen Platz, an dem immer solche Gebetsstäbe stehen mussten: bei jedem Haus der Ainu. Die heilige Nordostecke des Hauses musste mit einem langen Gebetsstab versehen sein, ebenso die Feuerstelle. Darüber hinaus gab es noch den sogenannten "heiligen Zaun" bei jedem Haus, das Nusa: in etwa zehn Metern Abstand vom "heiligen Fenster" des Ainu-Hauses, meist in östlicher Richtung, befand sich eine Gruppe verschieden langer Inao: der Grosse Nusa-Gebetsstab und mehrere kleine Gebetsstäbe. Manche dieser Stäbe wurden sogar noch durch Extrastangen verlängert.


Eine Ansammlung von Gebetsstäben: das sog. Nusa


Das Wort Inao leitet sich von "Ina" (= Botschaft, Bitte) und "o" (=Bringer, Träger) her. In unserer modernen Sprache ausgedrückt könnte man Inao also auch mit Nachrichten-Übermittler bezeichnen. Leo Sternberg, Konservator am Museum der Petersburger Akademie der Wissenschaften, der Anfang der 1890er Jahre ethnologische Studien auf Sachalin machte, befragte damals einen Ainu-Häuptling nach der Bedeutung der Inao: "Warum macht ihr diese Inao? Was sind sie?" Darauf erwiderte der Ainu, der gerade dabei war, ein Inao zu schnitzen: "Das ist ein Sendling, ein Sprecher." Die Ainu würden mit diesem Stab Botschaften für die Götter mitteilen, und der Inao seinerseits teile diese Botschaften den Himmlischen mit. Sternberg fragte weiter: "Wie kann so ein kleiner Stab reden?", und der Häuptling antwortete darauf: "Es ist nicht der Stab, der geht und alles dem Kamul (Gott) weiter sagt, sondern seine Seele."



Heute noch immer in Gebrauch: Gebetsstab der Ainu


Mit anderen Worten: bei den Ainu galt ein Gebetsstab als Voraussetzung für das "Anrufen" bzw. das "Gespräch" mit den Göttern oder Himmlischen. Heute dienen uns gewisse "Stäbe" (Antennen) zum Funkverkehr bei "Gesprächen" zwischen weit voneinander entfernten Gesprächspartnern.



"Gebetsstab" modern: Antenne


Da solche Gebetsstäbe auch bei anderen Völkern mit der gleichen symbolischen Bedeutung bekannt sind, ist die Frage naheliegend: Beobachteten unsere Vorfahren Vertreter einer fremden, technologisch hochentwickelten Intelligenz, bei deren Gesprächen untereinander Stabantennen zum Einsatz kamen?

Im British Museum in London kann man federngeschmückte Gebetsstäbe aus einem Zuni-Pueblo (Arizona) bestaunen. In Erläuterungen dazu heisst es, sie seien bei Gebetszeremonien in Gebrauch gewesen und hätten als "Sinnbild der engen Verbindung zwischen Menschen und Göttern" gedient.

Ganz ähnlich verhält es sich mit den Gebetsstäben der Hopi-Indianer, die eine lange Tradition haben. Sie dienten zum "Senden von Botschaften zum Himmel". Der Hopi Frank Waters drückte dies etwas geheimnisvoll-verschwommen aus, als er von "unsichtbaren Schwingungen des Gebetes" sprach, die der Gebetsstab verkörpere und weiterleite. Wir hingegen können heute sehr gut verstehen, was damit ursprünglich gemeint war.




Gebetsstab nordamerikanischer Indianer



Gebetsstab aus der Ceremonial Cave, Texas, Zeichnung: Cosgrove 1928



Altar in einer Hopi-Kiva mit Gebetsstäben


In Melanesien scheint sogar das zu einer Antenne gehörige Mobilfunkgerät in der Überlieferung "überlebt" zu haben, und zwar als geheimnisvolle "Flöte", die ein "Behältnis der Stimme" eines nichtirdischen Geisterwesens symbolisieren soll. Auf der Insel Karesau gibt es in jedem Dorf ein "Geisterhaus". Wird ein bestimmter Ritus durchgeführt, schieben die Eingeborenen dabei lange Stangen aus der oberen Öffnung des Hausses (Ausfahren der Antennen) - und im selben Moment werden die Flöten geblasen: die Stimme eines Geisterwesens beginnt zu sprechen! Das glauben jedenfalls die Insulaner. Ganz allgemein weiss jedes Kind auf Karesau, wenn die "Flöten" ertönen, rufen die Geister.

Nebenbei bemerkt: Diese "Geisterhäuser", die es auch auf anderen melanesischen Inseln gibt, fussen laut Mythologie auf der Erinnerung an den Erstkontakt zwischen den Inselbewohnern und Vertretern einer fremden Intelligenz, von ihnen als "Geisterwesen" (fehl-?)interpretiert.

Häuser mit "ausfahrbaren" Stangen auf Karesau - Häuser mit festinstallierten Gebetsstäben bei den Ainu: was mag das Vorbild hierfür gewesen sein? Die Ainu erinnern sich an die Göttin Apehuci, die einst auf die Erde "herabgestiegen" sei. Zuvor sei für sie im Himmel ein "Haus" angefertigt worden, das sie mit zur Erde nahm und hier aufstellte. Das "Haus" diente eine ganze Zeitlang als Unterkunft mehrerer Götterwesen - so u.a. auch für den Göttersohn Aynurakkur, der die Vorfahren der Ainu in der Herstellung und Verwendung wichtiger Gebrauchsgegenstände unterrichtete. Sollte dieses "Haus" mit einer Funkantennenanlage ausgestattet gewesen sein, die später bei den Ainu mittels ihrer Gebetsstäbe (besonders durch den "heiligen Zaun") imitiert wurde? Das wäre durchaus denkbar.




Ein sog. Keomandeni, eine "Stange der Entsendung" - Imitation einer Antenne?




Moderne Antenne - sahen unsere Vorfahren so etwas schon in prähistorischen Zeiten?


Die kleineren Gebetsstäbe, die man sogar mit auf die Jagd mitnehmen musste, würden dann eher die Antennen kleiner mobiler Funkgeräte imitieren. Bezeichnenderweise kerben die Ainu auf manche dieser Stäbe einen "Mund" (ein Symbol für das Mikrophon?), an anderer Stelle des Stabes platzieren sie das "Herz": ein heisses Stückchen Holzkohle, das dort in ein Loch eingefügt wird - stellt dies vielleicht die "Energiequelle" des mobilen Funkgerätes dar?



Kleine mobile Gebetsstäbe der Ainu


Zu einem Funkgespräch gehören in der Regel zwei Gesprächsteilnehmer. Das führt uns zum letzten der hier aufgeführten Beispiele, die man aber beliebig erweitern könnte. Auch Äthiopien kennt Gebetsstäbe: einfache und verzierte Holzstangen - im Gegensatz zu den filigran und aufwendig verzierten Zeremonialkreuzen der dortigen koptischen Priester.

Am 18. Januar 1990 beobachtete Graham Hancock in der Kirche Medhane in Gondor eine Liturgieszene mit Musik, die angesichts des oben Dargelegten von grossem Interesse ist:

"Die Diakone ... lehnten auf ihren langen Gebetsstäben und wiegten sich völlig versunken im ernsten Rhythmus der Gesänge ... Das Lied war ein Wechselgesang, dessen einzelne Abschnitte von der einen Gruppe vorgetragen wurden, worauf die Antwort einer anderen Gruppe erscholl, so dass ein Dialog von hin- und hergeworfenen Strophen und Refrains entstand ... Derartige Chorgesänge waren, wie ich zuvor herausgefunden hatte, bereits fester Bestandteil der alttestamentarisch-jüdischen Literatur."



Koptischer Priester in Äthiopien mit Gebetsstab


Und wo fand diese Zeremonie statt? Ausgerechnet vor dem "Allerheiligsten": eine Nachbildung der Bundeslade, die es in Äthiopien in jeder Kirche gibt. Also vor der Nachbildung jenes Gegenstandes, der in der Paläo-SETI-Forschung längst als technisches Gerät, vermutlich als Funksprechanlage, erkannt wurde!










Gebetsstäbe aus Lalibela, Äthiopien


Ich denke, hier erübrigt sich jeder Kommentar, und es ist nicht zu gewagt, die "Gebetsstäbe" insgesamt als weiteres Indiz für die Richtigkeit der Paläo-SETI-Hypothese zu betrachten.

Wie hiess es kürzlich in einem Science Fiction-Film: "Indizien sind wie Perlen auf einer Schnur. Irgendwann hat man eine ganze Kette."


Literatur:


Burland, Cotti: Mythologie der Indianer Nordamerikas. Wiesbaden 1971


Haas, H.: Die Ainu und ihre Religion. In: Bildatlas zur Religionsgeschichte (Bd.8), Leizig, Erlangen 1925


Hancock, G.: Die Wächter des heiligen Siegels. Bergisch-Gladbach 1994


Kremp, W.: Beiträge zur Religion der Ainu. Freiburg 1928


Schlesier, W.: Die Melanesischen Geheim-Kulte. Göttingen, Berlin, Frankfurt 1958


Sternberg, L.: The Inau Cult of the Ainu. New York 1906


Waters, F.: Das Buch der Hopi. Düsseldorf, Köln 1982

























Dienstag, 17. Februar 2009

Gral, Nanosteaks und Speisereplikatoren

Hightech fremder Erdbesucher in unserer Vergangenheit?


Gisela Ermel


In: Q'Phaze, Nr. 5, Kassel 2007



Eines der Highlights der Paläo-SETI-Forschung war die Ende der 1970er Jahre von George Sassoon und Rodney Dale nach alten hebräischen Texten rekonstruierte "Manna-Maschine", von den Israeliten "Der Alte der Tage" genannt, offenbar ein Gerät, das sie während der langen Wüstenwanderung mit einer darin produzierten Nahrung versorgte.



So könne sie ausgesehen haben: die Manna-Maschine der Israelten



Ein weiteres präastronautisches Highlight war dann die Gleichsetzung der Manna-Maschine mit dem sog. Heiligen Gral - ebenfalls ein (in der mittelalterlichen Gralsepik überliefertes) Nahrungsgerät - durch Dr. Johannes Fiebag und Peter Fiebag.



Die Tafelrunde mit dem Gral, der Nahrung spendete, mittelalterliche Darstellung



Als ich selbst zum Thema Gral recherchierte, wollte ich vor allem nach Hinweisen auf ein solches Nahrungsgerät ausserhalb der bekannten mittelalterlichen Gralsepen suchen, da ich davon überzeugt war, dass ein solch grossartiges Gerät auch in anderen Kulturen und bei zahlreichen Völkern seine Spuren hinterlassen haben musste. Neugierig und hoch motiviert las ich mich jahrelang immer wieder durch Hunderte von Sagen, Mythen und Überlieferungen aus "aller Herren Länder", und war dann beinahe erschlagen von der unüberschaubar grossen Menge an Hinweisen, Daten, Berichten und Informationen.


Doch wirklich verblüfft war ich erst dann, als ich das immense Material ordnete und bearbeitete, denn es fügte sich wie von selbst zu einem logischen, in sich stimmigen Bild, das auch durch weitere Sagen und Mythen nicht mehr hätte verändert werden können. Und das überraschende Ergebnis sagte ganz klipp und klar: unsere Altvorderen hatten Kenntnis von Nahrungsspendegeräten, die in ganz bestimmten, voneinander verschiedenen Grundtypen beschrieben werden:


  • Typ 1: Ein Gerät, das jede beliebige gewünschte Nahrung "spendet"

  • Typ 2: Ein Gerät, das nur eine oder eine geringe Auswahl an Nahrung "spendet" oder "vermehrt"

Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass in die Gralsliteratur Erinnerungen an beide Gerätetypen eingeflossen sind und miteinander vermengt wurden, während die Manna-Maschine ganz klar dem Typ 2 zuzuordnen wäre.


Ein solches Gerät können wir heute bereits herstellen, wie George Sassoon und Peter Fiebag in ihrem Artikel "Eine 'Gottheit' wird technisch realisierbar"(Sagenhafte Zeiten 2/2002) zeigen: Geräte, die mit verschiedenen Algen arbeiten sind im Nationalen Ägyptischen Forschungszentrum in Kairo und in einem Institut für Biotechnologie konstruiert worden. Der Photobioreaktor des Fraunhofer Instituts in Stuttgart, der mit dem Algentyp Chlorella vulgaris arbeitet, zeigt nach Meinung von Sassoon und Fiebag eindeutig die Machbarkeit eines nahrungsproduzierenden Gerätes á la Manna-Maschine.




Freilandversuchsanlage am Fraunhofer IGB in Stuttgart



Nahrungsproduzierende Geräte


Doch die alten Überlieferungen gehen noch weit darüber hinaus. Sie lassen vermuten, dass es noch eine andere Technologie geben muss, um Nahrung zu produzieren, basierend auf der Annahme, dass ein solches Gerät anhand eines vorgegebenen "Musters" - einer Probe? eines Bauplans? - dieses unendlich oft duplizieren oder vervielfältigen könne.

Schaut man sich die einzelnen Mythen im Vergleich an, so fällt einem vor allem auf, dass die Form dieses Gegenstandes der lokalen Tradition ebenso angepasst wurde wie die "fabrizierte" Nahrung. Einige wenige Beispiel:


  • eine zauberhafte Bierkanne oder ein Endlos-Met-Fass in nordischen Ländern


  • ein Chicha-Gefäss in Bolivien


  • Handmühlen in Russland


  • eine magische Kokosnuss auf den Fidschi-Inseln


  • eine Zaubertrommel bei den afrikanischen Ekoi


  • Reis in asiatischen Ländern


  • Büffelfleisch und Beeren bei nordamerikanischen Indianern


  • Met in der germanischen Mythologie


  • Plinsen und Piroggen in baltischen Ländern


  • Makkaroni bei den Italienern


  • das Nationalgericht Fatt bei den Arabern


  • Maisbrei bei den Hopi


  • Wein bei den Franzosen


  • Hirse in Afrika


  • Robben- und Rentierfleisch bei den Eskimo

usw. Die Liste liesse sich ellenlang erweitern. Und all das natürlich stets jeweils in niemals aufhörenden Mengen gespendet.


Doch könnte man auch spekulieren, dass solch ein Gerät - in welcher Form auch immer - jede beliebige Speise spenden konnte, je nach dem nationalen Geschmack eben, wenn auch die Ethnologen und Mythenforscher hier lieber von ihrem beliebten "Wandermotiv" reden: ein weitergereichtes Grundmotiv (in diesem Fall der magische Nahrungsspender), das jeweils mit den traditionellen Vorstellungen des entsprechenden Volkes oder Landes ausgeschmückt oder abgewandelt wurde. Das würde jedoch ein Grundmotiv voraussetzen, für dessen Entstehung ja irgendwann einmal etwas dagewesen sein muss, sonst hätte sich solch eine Überlieferung über so einen Gegenstand gar nicht gebildet.


In einigen Mythen wird behauptet, in der Frühzeit, als noch die Götter auf der Erde verkehrten, sei die Nahrungsversorgung leichter und einfacher gewesen, als heute. Stämme in Ostafrika wie z.B. die Kuluwe überliefern, dass man damals nur ein einziges Korn in den Topf zu legen brauchte, das sich dann wie von selbst vermehrte und das Gefäss füllte. Die Safwa in Tansania meinen, es sei für die Speise eines ganzen Tages nur ein einziges Hirsekorn nötig gewesen. Entsprechend überliefern z.B. die Bewohner der indonesischen Insel Rote, früher sei nur ein einziges Korn Reis nötig gewesen, um einen ganzen Topf voll Reis zu bekommen, während die Bewohner der Kleinen Sundainseln behaupten, früher habe ein einziger Maiskolben genügt, um eine ganze Familie zu ernähren. Ähnlich lautende Mythen gibt es hundertfach rund um den Globus.


Himmelswelt und himmlische Besucher


Früher - damit ist hier stets DIE Zeit gemeint, in der Götter, Himmelsbewohner oder andere nichtirdische Wesen mit den Menschen verkehrten. So erstaunt es auch nicht, dass unsere Vorfahren gerade diese als in Besitz von wunderbaren Speisespendern schilderten.


Die Tuatha de Danann - das Volk der Göttin Dana -, die, man weiss nicht woher, einst nach Irland kamen und sich später in die Elfenhügel zurückgezogen haben sollen, brachten eine ganze Reihe verschiedener "magischer" (technischer?) Gegenstände mit. So u.a. mehrere Speisespender wie den berühmten Esskorb von Gwyddno-Long-Shank, der die Nahrung von einem in Nahrung für Hunderte vermehren konnte.

Die Bewohner der indonesischen Insel Ceram berichten von Tuwale, der mehrmals eine "Himmelswelt" besucht haben soll. Er erreichte sie per schwebendem "Tragekorb" und wunderte sich droben nicht nur über die dort z.T. kopfunter an der Decke gehenden Bewohner, sondern auch darüber, dass diese nur ein einziges Reiskorn benötigten, um ganze Töpfe voller Reisbrei zu bekommen. Diese uralte Mythe klingt so modern, als habe ihr Tuwale eine Raumstation im Orbit mit Speisereplikator besucht.


Die Japaner überliefern, dass einst der Sonnengott die Erde besuchte . Als er bei zwei sehr armen Leuten einkehrte, die ausser Wasser und ein paar Hirsekörnern nichts hatten, habe er aus drei mitgebrachten Reiskörnern einen ganzen Kessel voll Reis "gezaubert" (der Kessel füllte sich "wie von selbst"), und aus drei kleinen blattähnlichen Teilchen einen ganzen Topf voller Speisefische.


In der Mandschurei ist es ein "fremder Knabe", der einen Stamm namens Ussuri-hala bei Ninguta am Hushihanan-Berg besucht habe und sich für eine Gefälligkeit mit einem ganz besonderen Geschenk bedankte: er übergab jedem Haus des Dorfes eine Schale. Legte man in eine solche Schale ein Reiskorn, so war sie nicht nur im Nu bis an den Rand gefüllt, sondern blieb dies auch, so viel man auch vom daraus entnommenen verzehren mochte. Ebenso war es, wenn man in eine der Schalen ein klein wenig Wasser tat.


Diese Überlieferung um Nahrungsvermehrer hat in Korea schon beinahe groteske Formen angenommen. Da hat einer ein Hirsekorn, das sich ständig verdoppelt, und als seine Frau daraus Mehl und dann einen Kuchen machte, vermehrte sich sogar der Kuchen: "Mutter, Mutter, der Kuchen hat Purzelbaum geschlagen, dabei ist immer ein neuer Kuchen herausgekommen!" lässt die Mythe die fassungslose Tochter rufen. In Korea weiss man übrigens auch, dass ein Knabe namens Hallaktungi vom Besuch einer himmlischen Welt bei seinem dort wohnenden Vater eine kleine "Blume" mit nach Hause brachte, die "Fleisch wachsen lassen" konnte, so oft und so viel man wollte.


Wetten, dass Eric K. Drexler, ein Wissenschaftler auf dem Gebiet der Nanotechnologie, über diese beiden koreanischen Mythen schmunzeln und an seine "Nanosteaks" denken würde? Doch diese Überlieferung ist uralt und stammt aus einer Zeit, in der noch kein Mensch jemals etwas von unserer heutigen Nanotechnologie gehört haben konnte. Doch warum sollten nicht Vertreter einer fremden Intelligenz diese Hightech längst entwickelt und angewandt und sie sozusagen "im Gepäck" gehabt haben beim Besuch unserer Erde?


In den Mythen nordamerikanischer Indianerstämmen ist es stets eine geheimnisvolle fremde Person, bei der Besucher ein Gefäss kennen lernen, das Nahrung vermehrt. Hier nur drei der zahlreichen Beispiele:


  • eine "Frau, die nicht den Erdenmenschen angehörte" bei den kanadischen Indianern: "Noch keiner hat alles aufgegessen, was mein Kessel hergibt!" Hineingelegt hatte sie nur ein winziges Fleischbröcklein und eine einzige Beere


  • der Fremde Nemekois (seine Schüsseln mit Fleisch und Fett waren immer bis oben hin gefüllt, so viel man auch herausnahm; die beiden ihn besuchenden Kwakiutl-Indianer versuchten sodann, sich mit diesen Zaubergefässen davonzuschleichen

  • ein Ojibway trifft "in der Fremde" einen "Zauberer", dessen Kessel sich nicht nur nach dem Hineinwerfen zweier verschiedener Körnlein bis oben hin füllte und dann stets gefüllt blieb, so viel man auch heraus schöpfte, sondern der auch noch mobil war und sich selbständig in den Raum hinein und wieder hinausbewegte.


Endlos-Geschenke


Man könnte nun noch Hunderte von Mythen aufzählen, in denen von Gefässen berichtet wird, die sich "von selbst" füllen und dann voll bleiben, auch wenn man grosse Mengen aus ihnen herausnimmt. Doch besonders interessant sind die Beispiele, bei denen das Gerät seine Funktion einstellte, weil der neue Besitzer - immer einer unserer Altvorderen, der es von einem nichtirdischen Wesen bekam - trotz des Verbotes und klarer Anweisungen dieses bis auf den Grund leerte bzw. auch das letzte "Musterexemplar" der Speise (das letzte Körnlein usw.) herausnahm.


Ebenso brisant sind die Mythen, in denen der vorwitzige neue Besitzer trotz Verbot und entsprechender Anweisung nach dem Ende des Gefässinhaltes suchte oder nach der Herkunft des unendlichen Inhalts forschte. (Vergleichen liesse sich hiermit etwa ein Angehöriger eines primitiven Naturvolkes, der erstmals in einer Grossstadt weilt und einen Getränkeautomaten auseinandernimmt, um zu schauen, wo der unendliche Segen denn herkomme.)


Und hier kommen nun Mythen ins Spiel, die auf den ersten Blick nichts mit diesen Nahrungsspendern zu tun haben. Gemeint sind Mythen, in denen ein Mensch ein sog. "Endlos-Geschenk" von einem nichtirdischen Wesen bekommt. Die germanische Göttin Hulda soll manchmal an besonders fleissige Mädchen Garnknäuel verschenkt haben, die sich niemals aufbrauchten - es sei denn, man suchte verbotenerweise nach dem Fadenende. Entsprechend der Hulda sind es in anderen Überlieferungen Zwerge, Elfen u.a. nichtmenschliche Wesen, die solche Endlos-Gegenstände besitzen und verschenken.


In Tirol erinnert man sich an ein "ewiges Garnknäuel", das eine Näherin von einer "Wasserjungfer" bekommen haben will. Als die Frau aus Neugier nach dem Ende des Fadens schauen wollte, "fuhr ein kalter Windstoss durch die Stube - und die vorlaute Magd hielt anstatt des Fadenknäuels Asche in der Hand."



In Rinteln überliefert man die Sage von einem Mädchen, das von einem "Zwerg" einen Wocken Flachs bekam, an dem "sie ihr Leben genug haben" werde. Doch sie dürfe ihn niemals GANZ abspinnen! so schärfte ihr der Zwerg ein. Jahraus, jahrein konnte sie vom Flachswocken spinnen und spinnen, bis sie eines Tages das Verbot übertrat, da war und blieb der Wocken leer.


Ähnlich erging es einem Mythenhelden, der von Zwergen eine nie leer werdende Bierkanne bekam. Sie verboten ihm strikt, jemals hineinzuschauen. Als er es eines Tages doch tat, blieb die Kanne leer und der Besitzer siechte fortan elend an einer geheimnisvollen Krankheit dahin.


Auch im Islam kennt man ähnliche Beispiele. Der beliebte Heilige Abd al-Qadir al-Gilani, der im 11. Jahrhundert als Lehrer und Prediger in Bagdad wirkte, habe - so berichtet der Chronist at-Tadifi im 14. Jh. - einen Korb mit Weizen besessen, der niemals leer wurde. Bis eines Tages die Frau eines Dieners das Gefäss öffnete, um zu schauen, wo all der unendliche Weizen herkomme. Danach habe der Korb keinen Weizen mehr gespendet.


Im schweizerischen Wallis überliefert man eine Panne mit einer Weinkufe, die nie leer wurde, so viel man auch herausschenkte. Woher sie kam, wusste niemand mehr. Sie war über Generationen hinweg weitergegeben worden, immer mit dem Verbot, sie jemals zu öffnen. "Da wollte es das Unglück, dass einmal gar vorwitzige Leute zur Kufe kamen und sehen wollten, was denn endlich und letztlich diese Wunderkufe wohl in sich bergen möge. Mit frevelnder Hand wurde sie aufgerissen, und siehe! die Kufe war trockenleer - nur am oberen Spundloch hing eine schöne volle Traube, die jedoch gleich verdorrte und sich in Staub auflöste. Auch die Kufe fiel in Trümmer und liess sich nicht mehr zusammenfügen."


Diese Mythen - und Hunderte ähnlicher mit gleichen und ähnlichen Motiven - machen dann einen Sinn, wenn sie die Erinnerung an ein reales Gerät repräsentieren, ein Gerät, das ein vorgegebenes Material - sei es nun Nahrung oder etwas anderes - endlos duplizierte, und das bei unsachgemässer Behandlung nicht nur defekt wurde und aufhörte, zu funktionieren, sondern auch noch gefährlich war. Das Gerät stellte seine Funktion ein



  • wenn der Besitzer nach dem "Ende" des gespendeten Materials suchte


  • wenn der Besitzer nach der Funktionsweise des Gegenstandes forschte


  • wenn der Besitzer es vollkommen leerte bzw. das "Musterstück" entfernte


  • wenn es hinfiel oder beschädigt wurde


  • wenn der Besitzer Vorschriften missachtete wie: nicht reinigen, nicht öffnen, nicht zu viel hineinfüllen u.v.a.

Die Gefährlichkeit des Gegenstandes belegen Beispiele wie diese:



  • bei unsachgemässer Behandlung wie z.B. verbotenem Reinigen einen Schlag bekommen (von "unsichtbarer Hand")


  • an geheimnisvoller Krankheit dahinsiehen


  • u.v.m.


Auch dies macht Sinn, wenn wir uns unter diesem Gegenstand ein Hightech-Gerät vorstellen - und eben nicht einen "magischen Zaubergegenstand". Das "Ding" funktionierte eben nicht durch irgendeine überirdische Magie, sondern durch knallharte Technik und eine Energie.



Der Gral


Die beiden Motive "Nahrungsvermehrung" und "Gefährlichkeit" des Gegenstandes klingen auch in der Gralsliteratur an, obgleich der Gral dort fast nur als ein Typ-1-Gerät geschildert wird, das jede gewünschte Speise augenblicklich produzierte.



Im "Grand St. Graal" ist die Rede von einem einzigen Fisch, der täglich dutzendfach verspeist wurde - dank des Grals. So fragte sich der Gralsforscher Richard Heinzel schon vor über hundert Jahren, was wohl der frische Fisch bedeute, den man stets auf die Tafel vor den Gral habe legen müssen. "Man möchte meinen", so Heinzel, "der Fisch solle auf wunderbare Weise Nahrung spenden." Da er täglich vor (oder in?) den Gral gelegt wurde, habe er, so Heinzel, ja irgend einen "Nutzen" haben müssen. Diente er als "Muster", als "Vorlage" für ein Nahrungsvermehrungs-Gerät?


Diese Gralsepisode spielt nicht zur Zeit der berühmten Gralsritter, sondern in der sehr viel früheren Zeit des Joseph von Arimathia, der den Gral direkt von Christus bekommen haben sollte, wie es verschiedene alte Texte und Apokryphen behaupten. Joseph von Arimathia (der bekanntlich Jesus vom Kreuz nahm und ins Grab legte) sei mit einer Schar von Begleitern bis nach Britannien gewandert, und seinen Sohn und seinen Enkel nennen die Texte wie z.B. der "Grand St. Graal" den "reichen Fischer" oder "den mit dem Wunderfisch". Sollte dieser eine Fisch das "Muster" für die Speisevermehrung gewesen sein - und so sagen es ja die Texte -, dann wären Alain und Bron in der Tat sehr "reiche Fischer" gewesen!



Nach Ankunft in Britannien machten die Wanderer, so berichtet der "Grand St. Graal", bei einer ärmlichen Hütte Rast, wobei man die kleine Menge Brot, die die dort lebende Frau vorrätig hatte, per Gral in Nahrung für die gesamte Schar vermehrte (der "Grand St. Graal" spricht von 500 Personen); und dies auch an anderen Orten.



Erinnern wir uns an die Gefährlichkeit dieses Nahrungsgerätes in den anderen Mythen. Auch hier stimmen die Gralstexte mit den Überlieferungen überein. Während der Wanderung der Schar Josephs mit dem Gral, habe es (so der "Grand St. Graal") einen Mann "gelüstet", den Gral näher anzuschauen. Er trat näher heran, als erlaubt war. Die Folgen: Blindheit und Verlust der Herrschaft über seinen Körper. Die "Queste du Saint Graal" beschreibt dasselbe Erlebnis. Hier ist es ein plötzlicher "Windstoss" vom Gral her, der den Mann blind macht.



In Mallory's "Lancelot" ist es Hitze, die Lancelot das Gesicht verbrennt und ihn zu Boden wirft, als er trotz Verbotes zum Gral tritt. So auch in der "Morte d'Artur", wo der Gral mit blendendem Licht strahlt. Als Lancelot ins Licht tritt, schlägt ihm ein Feuer ins Gesicht, er fällt auf den Boden und kann sich 24 Tage lang nicht mehr bewegen. Im "Grand St. Graal" wird noch erwähnt, dass zu der Zeit, als der Gral im eigens für ihn erbauten Schloss Corbenic aufbewahrt wurde, verboten war, in seiner Nähe zu schlafen. Alle, die dies trotzdem taten, seien gestorben.



Hierher gehört auch die mysteriöse Krankheit der sog. Gralskönige, wie sie die mittelalterlichen Gralsepen schildern, ohne eine wirklich vernünftige Erklärung für diese Krankheit zu geben.



Reale technologische Geräte


Ein Gerät, das Nahrung vervielfältigt, bei Missachtung der Bedienungsanleitung oder neugieriger Manipulation defekt wird und aufhört zu funktionieren und das bei falscher Handhabung und unsachgemässem Umgang sich als gefährlich erweist ("Schläge" von "unsichtbarer Hand" austeilt, krank macht usw.), hört sich wirklich nicht nach einem Märchen-Fantasie-Zaubergegenstand an, sondern nach einem realen technologischen Gerät, das unsere Vorfahren kennenlernten. Und immer gehörte es zum Hab und Gut dieser nichtirdischen Wesen (seien es Götter, Engel, Elfen, Zwerge o.ä, - den Gral sollen ja auch "Engel" auf der Erde gelassen haben), es sei denn, sie stellten es ihren Günstlingen zur Verfügung - mit genauen Anweisungen, die - missachtet - auch prompt zu Defekten oder Pannen führten.



Zu diesen "Defekten" zählt auch ein Mythenmotiv, das vor allem eines aussagt: dies Gerät könnte Nahrung vervielfältigen in nahezu unendlicher Menge. Das Paradebeispiel dieser beinahe aberwitzigen (doch aus modernem Blickwinkel technologisch vorstellbaren) Panne ist unser Märchen "Vom süssen Brei", wo das "magische Töpfchen, das ein Mädchen von einer "Waldfrau" bekommen hatte, ein ganzes Dorf mit Hirsebrei überschwemmt, weil die unbefugte Person nicht weiss, wie man es stoppen kann.



Märchenillustration zu "Der süsse Brei": Erinnerung an eine Panne mit einem Nahrungsspendegerät?




Die altnordische Variante wäre die berühmte Mühle Grotta, auf der der unrechtmässige Besitzer so lange Salz (damals rar und kostbar) "mahlen" liess, bis das Schiff, auf dem sich das Gerät befand, mit Mann und Maus unterging unter den anwachsenden Salzlasten, weil der neue Besitzer nicht wusste, wie man das Gerät zum stoppen bringt.




Eine recht bizarre Variante der Salz-mahlenden Zaubermühle bietet eine Sage aus der Gegend von Hannover. Ein Junge, der dies wunderbare Gerät mit auf ein Schiff nahm, wo er als Matrose angeheuert hatte, liess für die gesamte Crew täglich frische Semmeln "mahlen", bis der neidische Kapitän ihm den Gegenstand abnahm. Der Käptn liess das Gerät nun Salz mahlen, wusste aber nicht, wie er es zum anhalten bringen sollte. Er packte die "Mühle", um sie wütend über Bord zu werfen, erhielt aber einen solchen Schlag, dass er rückwärts zu Boden fiel. Da das Schiff bereits unter der Salzlast zu sinken drohte, fing er an, mit seinem Schwert wie wahnsinnig auf die Mähle einzuschlagen. Er hieb die Mühle "in lauter Stücke ... aber siehe, aus jedem kleinen Stück wurde eine kleine Mühle, geradeso wie die alte gewesen war, und alle Mühlen mahlten lauter weisse Salzkörner." Auch hier würde ein Eric Drexler sicherlich schmunzeln und sich hoffentlich fragen, woher die Überlieferer dieser uralten Sage eine Ahnung gehabt haben könnten von seinen Assemblern!


Hier wie in Beispielen anderer Völker und Kontinente, bei denen ebenfalls Zaubergeräte Salz "mahlen" und dann im Meer untergehen, bemerkt der Sagenerzähler am Ende der Geschichte stets schlau: die Mühle mahlt noch immer - oder warum, glaubst du, ist das Meer so salzig?


Eine südamerikanische Variante zu unserer "Süssen Brei"-Panne ist z.B. eine Mythe aus Bolivien. Zwei junge Indianer waren bei einem geheimnisvollen "Vogelmenschen" zu Besuch, der sie mit Chicha bewirtete: "Das Gefäss füllte sich von selbst wieder in demselben Masse, wie man es leerte. Tiri, überrascht, wollte sehen, wo die Flut sich aufhalte und gab dem Gefäss einen leichten Schlag mit der Gerte. Da strömte die Flüssigkeit in solcher Füller heraus, dass sie die ganze Erde überschwemmte."




Der Sampo


Schauen wir uns einmal eines dieser zahlreichen Produktionsgeräte genauer an. Neben der berühmten Mühle Grotta des mythischen Königs Frohti von Dänemark, dem Tischlein-deck-dich zahlreicher Märchen, den keltischen Wunder-Speisegeräten, dem Gral der mittelalterlichen Ritterepen usw. kennen unserer altnordischen Mythen den Sampo, über den zahlreiche Spekulationen angestellt wurden.


Als Ellias Lönnrot das finnische Nationalepos "Kalewala" schrieb (1835 veröffentlicht), konnte er auf uralte Lieder und Mythen zurückgreifen, und er machte die "Wundermühle" Sampo zum zentralen Mittelpunkt seiner Dichtung.


Die Handlung des Epos ist in die frühe, sagenhafte Zeit verlegt, in der noch Verbindung bestand zwischen "Himmel und Erde" und nichtmenschliche Wesen wie Götter auf unserem Planeten verkehrten. Der göttliche Sänger Väinemoinen war an der Küste des Nordlandes Pohjola gestrandet, nachdem sein Transportmittel - ein über Wasser, Land und Luft "reitendes Pferd" - abstürzte.


Im Nordland - in den Mythen sowohl als im Epos Lönnrots eine im entferntesten Norden vorgestellte "Phantasiewelt" der altisländischen Vorzeitsagas - versprach man ihm, ihn nach Hause zu bringen, wenn er den göttlichen Schmied Ilmarinen überrede, den Nordländern einen Sampo zu "schmieden". Ilmarinen lehnte ab, wurde aber kurzerhand gegen seinen Willen durch die Luft nach Pohjola entführt. Man köderte ihn mit der Tochter von Louhi, der Herrscherin des Nordlandes, und er schmiedete den Sampo, der bald schon ununterbrochen "mahlte": auf der einen Seite Mehl, auf der zweiten Seite Salz und auf einer dritten Seite Münzen. Da sich Ilmarinen jedoch die junge Frau verweigerte, zog er zornig von dannen.


Väinemoinen schlug vor, den Sampo zu rauben. Mit allerlei "göttlicher Magie" eroberte eine kleine Schar die Wundermühle: Einschläferung der Bewohner Pohjolas, Zaubergesänge öffneten das Tor des Steinberges, die starken Schlösser und Riegel, hinter denen der Sampo ununterbrochen mahlte und mahlte ... Vom Nordland aus wurden sie verfolgt, zuerst per Schiff, dann durch einen "Adler", an Bord ein ganzes Kriegsheer: "hundert Helden unterm Flügel". Im Kampf mit den göttlichen Wesen Väinemoinen, Ilmarinen und Lemminkäinen wurde der Adler beschädigt, "von den Flügeln fiel das Mannsvolk, stürzten in das Meer die Männer...", und auch der Adler stürzte herab in die Wasserfluten und - der Sampo!


"Da zerbarst der bunte Deckel, ging der Sampo ganz in Stücke. So versanken jene Trümmer, von dem Sampo schwere Stücke in die wogenlosen Wasser ... Nun wird nie im Lauf der Zeiten, nie, solang das Mondgold leuchtet, Güternot das Wasser haben ... Auch noch andre Trümmer blieben, Splitterstücke weitaus kleiner, auf dem offnen, blauen Meere, auf der weiten Wogenfläche, um vom Wind gewiegt zu werden, von den Wogen weggetragen ... Diese trug der Wind aufs Trockne, warf die Welle an das Ufer..."


Seitdem herrschte Not im Nordland, so heisst es. Die Bruchstücke des Sampo aber, die an den Strand von Kalevala gespült worden waren, sollen dort schon bald für Wohlstand gesorgt haben. Setzte Ilmarinen einen neuen Sampo zusammen? Das Epos deutet dies an, als gegen Ende der Dichtung der Nordlandherrscherin zu Ohren kam, "dass ... Kalevala mächtig wachse durch des Sampos Trümmerstücke, durch des bunten Deckel Brocken."


In älteren Überlieferungen bekam Väinemoinen den Sampo unzerstört in seine Gewalt. Der Sagesammler Sjögren veröffentlichte bereits vor Lönnrot Versionen von Sampo-Überlieferungen, in denen es hiess, der Sampo liege nun unter dem Meer und mahle dort seitdem ununterbrochen Salz.






Moderne volkstümliche Darstellung des Sampo




Im Epos wird der Sampo beschrieben als eine wunderbare Mühle, die endlos Mehl, Salz und Münzen "mahlt", ein Gerät mit ständig schräg sich drehendem "bunten Deckel". Die Lieder vom Sampo waren in ihrer grossliedhaften und kleinepischen Ausformung nicht nur der Gipfel eines jeden Sängervortrags, sondern sie wurden seit Lönnrots Tagen zu einem unerschöpflichen Forschungsgegenstand, der ganze Gelehrtenscharen und -schulen gegeneinander führte. Die Auskünfte in den Liedern und Mythen über den Sampo, seine Bestandteile, Form und Funktionsweise sind knapp, klischeehaft und z.T. widersprechend.


Hatte man es zu tun mit dichterischer Erhöhung historischer Begebenheiten oder mit verdunkeltem mythischen Geschehen? In der Folge wurde eine Theorie nach der anderen aufgestellt, was denn dieser Sampo gewesen sei. Er wurde gedeutet als


  • Sonne

  • Mond


  • Polarstern


  • Regenbogen


  • Wolke


  • Tempel


  • Götterbild


  • Drachenschiff


  • Wundermühle wie Grotta


  • Musikinstrument


  • Schild


  • Zaubertrommel


  • Truhe


  • magischer Gegenstand


  • mythischer Weltenbaum


  • Fruchtbarkeitssymbol


  • Kultobjekte


  • und vieles mehr.


Lönnrot selbst sah die Handlung des Epos eher allegorisch, den Sampo dabei als das Symbol menschlicher Kultur. Der Raub mit der Zersplitterung des Gegenstandes bedeute, dass die Kalevaliden nun gleich hohen Kulturstand wie Pohjola haben, das bis dahin vom Sampo-Glück bevorzugte Nordland. Die Vorherrschaft des - für die Forschung allerdings bis heute unlokalisierten - Nordlandes sei mit dem Raub des Sampo beendet gewesen. Eine solche auf Kulturentwicklung bezogene Allegorie ist unverkennbar romantisches Erbe. Schon bei Novalis findet sich Ähnliches.


Ganz anders Jakob Grimm in seiner berühmten Akademierede im Jahr 1845, in der er u.a. behauptete, dass der Sampo identisch sei "mit der wunderbaren Mühle des nordischen Königs Frohti, welche alles, was man ihr zu mahlen aufgab, mahlen konnte, Gold, Salz und jede Art von Glück." Der Sampo war seiner Meinung nach eine der auch andernorts bekannten "Wünschelmühlen". Auch heutige Sagenforscher meinen, dass die uralten vor-Lönnrotschen Mühlenlieder und der Sampozyklus auf gleichen Vorgellungen beruhen, wie der Grotta-Mythos.



Volkskundler K. Krohn vermutete christliche Ursprünge in Lönnrots epischer Dichtung: der Sampo sei ein christliches Heiligenbild auf Gotland gewesen, das dem Raum finnischer Wikingfahrer anheim gefallen sei.



Der finnische Ethnologe Setälä wiederum meinte, im Sampo-Geschehen sei nicht irdisches, sondern kosmisches Geschehen widergespiegelt. Sampo: das sei in Wahrheit der Nordstern, die Spitze der mythischen Weltsäule, auf ihr ruhe das Himmelsgewölbe, das als "bunter Deckel" um sie kreise. Sein Kollege Harva war zwar gleicher Ansicht, meinte jedoch, nicht die Weltsäule oder der Polarstern seien der Sampo, sondern das Kultbild, das sie repräsentiert habe. Zu denken sei an einen hoch aufgerichteten Eisenpfahl, der wohl noch mit kosmischen Symbolen geziert war. Der Raub des Sampo bedeute, so Harva, den Einbruch in ein wahrscheinlich weitberühmtes Kultheiligtum und die Entführung des Kultobjektes.



Einige Ethnologen sind der Ansicht, dass sich in den Erzählungen von Wundermühlen der tiefe Eindruck widerspiegele, den die den Mahlsteinen technisch weit überlegene Drehmühle auf den Menschen machte. (Drehmühlen gab es in Germanien und Skandinavien seit dem 3. Jh.n.Chr.)



Wäre es nicht an der Zeit, all diesen Spekulationen eine neue, zeitgemässe - präastronautische - hinzuzufügen? Betrachtet man den Sampo im Zusammenhang mit all den zahllosen Überlieferungen anderer Völker und Kulturen, so ist er nur eine Variante eines am ehesten technisch zu interpretierenden Gerätes, das Nahrung - und anderes - zu produzieren bzw. zu reproduzieren vermochte.



Als ich neulich im Internet nach dem Stichwort "Sampo" suchen liess, war ich zuerst verblüfft und dann amüsiert: sind doch zahlreiche finnische Banken nach dem Sampo benannt - ein sehr passender Name! Ein Geld "mahlendes" Gebäude sozusagen, und doch wie uneffektiv gegenüber den "unentleerbaren Geldbörsen" der Mythen zahlreicher Länder und Völker.



Von Fortunatus "unentleerbarem Geldsäckel" (1480, Volksbuch des Fortunatus) über Bechstein's "Dukaten-Angele" und dem Zwergenwunderbeutel voll Taler bis zum "Heckpfennig", der die Hosentasche stets voll Münzen zaubert, hat allein Deutschland zahlreiche Varianten zu bieten.







Fortunatus bekommt sein "unentleerbares Geldsäckel", Holzschnitt Augsburg 1509




Als ursprüngliche Besitzer dieser Wunderbörse tauchen hier wie allerorten wieder die gleichen mythologischen Gestalten auf: Feen, Elfen, Götter, Zwerge, geheimnisvolle "Fremde", die diesen Gegenstand als Dank für besondere Dienste stets mit einem Ausspruch wie diesem weiterreichen: "Du musst wissen, dass sich diese Börse niemals leert. Sooft man die Hand hineinsteckt, findet man fünf Taler darin." Und auch hier wieder die uns schon von den Nahrungsspendern vertraute Anweisung: niemals die allerletzte Münze herausnehmen! Sollte solch ein Gegenstand auch gemeint sein mit dem Sack des Gottes Kubera (Asien), aus dem auf zahlreichen Abbildungen Goldstücke herausfallen, oder dem Wundersäckel des römischen Gottes Mercurius oder den Beuteln der keltischen Götter Cernunnos und Sucellos usw.?








Der keltische Gott Cernunnos mit Füllhorn




Endlosnahrungsspender


Klar, dass all diese Mythen und Überlieferungen keine Ereignisse schildern, die sich mit genau den Personen und genau so abspielten, aber sie bewahren - in immer wieder anderen Varianten - einen wahren Kern. In diesem Fall ist das ein Gerät, das Nahrung - oder anderes - zu produzieren bzw. reproduzieren vermochte. Da sind jedoch die ebenso zahlreichen Mythen über ein Gerät, das jede gewünschte Nahrung - ja jeden gewünschten Gegenstand - zu spenden vermochte: sofort und unendlich.




Doch haben wir es wirklich mit zwei verschiedenen Typen zu tun? Was, wenn man sich eine Technologie vorstellt, die bei beiden Varianten gleichermassen vorstellbar wäre? Eine Technologie freilich, die sehr weit über alles hinausgehen würde, was wir uns heute als machbar vorstellen können. Sollen wir uns etwas vorstellen wie Drexler's Assembler - winzigste Teilchen, die sich zu allem vorstellbaren zusammensetzen nach Angaben eines Nanocomputers? Drexler wurde schon ernsthaft gefragt, ob es bald das "nanotechnologische Schnitzel" gebe - und er hat diese Frage nicht strikt verneint!




Oder steckt etwas ganz anderes hinter diesem Endlosnahrungsspender? Übertreiben die Mythen masslos, und gab es doch nur so etwas wie eine "Manna-Maschine", die Nahrung aus Algen herstellt? Mir scheinen die Mythen der hier geschilderten Geräte und der hier nur am Rande erwähnten Wunschspender (mit dessen Varianten man ganze Bücher füllen könnte, jedoch auch hier die gleiche Anpassung des Gegenstandes an lokale Traditionen: Becher, Mühle, Trommel, Kanne, Kelch, Kiste usw.) nicht recht zur "einfachen" Manna-Maschine zu passen, und deshalb vermute ich, dass unsere Altvorderen mit mehr als einem Typ von Nahrungsspendern Bekanntschaft machten.




Es gibt neben diesen Mythen um eine Art Vervielfältigungsgegenstand ein weiteres Motiv, das auf den ersten Blick völlig absurd erscheint, aber ebenso von "unendlicher" Nahrung spricht. Es ist leicht, sich unter all diesen Mühlen, Schalen, Bechern usw. die Erinnerung an ein technologisches Gerät - wie immer es auch ausgesehen haben mag - vorzustellen. Doch was machen wir aus einem Brot, das den abgeschnittenen und verzehrten Teil einfach wieder "nachwachsen" lässt, oder aus einem Apfel, den man niemals aufessen kann? Führte das Nahrungsspendegerät alter Mythen unser Sprichwort "Man kann nicht mehr aus einem Korb herausnehmen, als er enthält" ad absurdum, so scheinen diese Mythen, die ich gleich etwas genauer vorstellen werde, auch noch das Sprichwort "Man kann den Kuchen nicht gleichzeitig essen und aufheben!" vom Tisch zu fegen.




Angesichts der modernen Stammzellenforschung und Entwicklungen auf dem Gebiet der Nanotechnologie klingt es vielleicht gar nicht mehr so lächerlich, wenn alte germanische Überlieferungen vom Eber Sährimner schwärmen, der - in Walhalla und bei den Göttern zubereitet - aus den am Abend übrig gebliebenen Resten wieder"lebendig" geworden sei, um am nächsten Tag erneut verspeist zu werden. Snorri Sturlusson schildert in seiner sog. "Jüngeren Edda", dass der Gott Thor am Abend verspeiste Böcke wieder "aufleben" liess. Er sei einst, so erzählt Snorri, bei Bauern eingekehrt und habe, um einen Beitrag zum Abendbrot zu leisten, seine beiden Böcke geschlachtet und sie zum Verzehr vorsetzen lassen. Die abgenagten Knochen sollten auf die Felle geworfen werden. Der Sohn des Bauern aber spaltete einen Knochen, um das Mark herauszuholen. Vor seiner Abreise am nächsten Morgen schwang Thor seinen Hammer über die Häute mit den Knochen: auf einmal standen die Böcke wieder lebendig da, doch einer der beiden lahmte.




Dieser in ziemlich romantisierter Form erhaltene Mythos mag eine entstellte Erinnerung daran bewahrt haben, dass Speise - oder anderes - vervielfältigt oder wieder vervollständigt werden kann, wenn dazu nur der nötige "Bauplan", das "Muster" o.ä., vorhanden ist. Selbst unseren heutigen Wissenschaftlern kommt ja so etwas nicht unrealisierbar vor: Es ist möglich, aus einzelnen Zellen, etwa eines Rinderschenkels, die man in eine Nährflüssigkeit setzt und zur Teilung anregt, künstliche Steaks zu züchten. Das ist möglich, weil den betreffenden Zellen das Programm für die Bildung solcher Zellen innewohnt.




Da kommen einem auch die Anderswelt-Schweine der Elfen nicht mehr "böhmisch" vor, sondern sehr realistisch, wie sie der Ire Cormac und andere Elfenwelt-Besucher dort kennengelernt haben sollen. Cormac geriet eines Tages plötzlich in einen seltsamen Nebel und fand sich im nächsten Augenblick an einem fremden Ort wieder. Der Elfenmann Manannana mac Lir erklärte ihm dort, er habe ihn mit "Zauber"hierhergebracht. Man schwärmte dem Gast vor, dass die dortigen Schweine "die ganze Welt satt machen könnten, denn lasse man heute ein Schwein schlachten und verspeisen, sei es am Morgen wieder am Leben." Auch habe man hier, so erfuhr Cormac, Weizen, der "nicht mehr und nicht weniger werde", egal wieviel man davon wegnehme, sowie Kühe, deren Milch genug wäre für alle Männer der Welt, und Schafe, deren Wolle reiche, um Kleider für alle Menschen zu weben.




Das altirische "Buch von Leinster" zählt ebenfalls unter den Wundern der Elfenwelt ein "immer lebendes Schwein" und ein "gekochtes Schwein, das niemals weniger wird" sowie unentleerbare Met- und Bierfässer auf. Andere Anderswelt-Besucher wollen dort Äpfel gesehen und probiert haben, die trotz des Abbeissens nicht weniger wurden. (Ganz am Rande sei erwähnt, dass solch ein Anderswelt-Besuch oft mit einem Zeitsprung verbunden in den Mythen geschildert wird - also eine gleichzeitige Zeitreise angedeutet wird.)




Christliche Quellen


Diese "Endlos-Nahrung" kennen auch christliche Texte. Neutestamentliche Apokryphen berichten davon, dass Maria - die "Gottesmutter" - schon als Kind in den Tempel von Jerusalem gebracht wurde, wo sie unter Aufsicht der Priester aufwuchs. Dabei empfing sie "Nahrung aus der Hand eines Engels" (Protevangelium Jacobi, 2. Jh.). Das Bartholomäus-Evangelium schildert eine solche Speisung: Ein Engel erscheint bei Maria im Tempel und stellt Brot und einen Becher mit Wein auf den Altar. Beide essen und trinken, "und ich schaute und sah", so Maria, "wie am Brote nichts fehlte und der Becher voll war wie bisher." Auch der Koran berichtet von der Tempelzeit Mariens, in der das wenige, das ihr die Priester bringen konnten, auf wunderbare Weise vermehrt worden sei.




Das "Christliche Adambuch" (ein äthiopischer Text aus dem 6. Jh.) schildert, wie Gott einst einen Cherub mit Früchten aus dem Paradies zu Adam und Eva auf die Erde geschickt habe. Von diesen Früchten, so heisst es da, konnten die beiden essen, soviel sie wollten, "und doch waren sie hernach wieder ganz wie zuvor und wurden nicht alle."




Klar, dass solche wunderbare Speise auch Spuren in unseren Sagen hinterlassen hat. Die Zigeuner beispielsweise lassen "Petrus und den lieben Gott" die Erde besuchen und armen Leuten ein Brot schenken: "Soviel sie und ihr Kind davon auch assen, so zehrten sie es doch niemals auf." In einem deutschen Märchen lässt der Held ein nie zu Ende gehendes Brot in einem Phönix-Vogel-Schloss mitgehen, leiht es einem hungernden Volk aus und vereinbart, dass es in fünf Jahren zurückzubringen sei. Das Märchen schildert dann genüsslich, wie ein Zug von 20.000 Mann das geliehene Brot zurückbringt.




Ein anderer deutscher Märchenheld bekommt gar Endlosnahrung mit "Garantieschein": eine "verzauberte Prinzessin in Rabengestalt" gibt ihm Endlosbrot, Endlosfleisch und eine nie leer werdende Flasche Wein mit sowie einen "Brief, darin stand, was sie ihm gegeben hatte und dass es nie all' würde"!




Eine Sage aus Husby in Schleswig hat das Motiv in eine bizarr-amüsante Variante verarbeitet: Ein Mädchen bat Zwerge um ein Butterbrot, lief dann aber feige davon, als sie ihr den Wunsch erfüllen wollten. Einer der Zwerge habe ihr ein Butterbrot hinterhergeworfen, das hinten an ihr haften blieb. "Da blieb das Butterbrot sitzen, und immer, wenn man noch so viel davon wegschnitt, so kam es immer wieder."




Sogar in einem modernen Reiseprospekt der Bretagne findet man eine Story vom Endlosbrot. In Tressé (zwischen Rennes und St. Malo), so heisst es da, sollen einst Feen gewohnt haben. Als eines Tages ihre Kuh ausbrach und beim benachbarten Bauern Schaden anrichtete, entschädigten sie den Bauern mit einem Brotleib, der niemals abnehmen und niemals hart werden würde, vorausgesetzt, er verschweige dessen Herkunft. Als der Bauer plauderte, habe sich das "magische Brot" in Stein verwandelt.




Könnte man unter all dem eben Geschilderten die in den Evangelien berichteten Speisewunder Jesu ganz neu interpretieren? Was auch immer die christlichen Bibelforscher und Theologen über die "Speisung der 4000" und die "Speisung der 5000" spekulierten:




  • heimlich von den Essenern aus einer Höhle herausgerichte Brote und Fische


  • übertriebene Zahlenangaben in den Evangelien


  • Streichung von zwei Nullen nötig


  • "frischer haushälterischer Sinn" Jesu


  • Massensuggestion


  • ein paranormales Ereignis


  • ideoplastische Materialisation


  • Wunder


  • u.v.m.


und wie auch immer in der Kunst die "Brotvermehrung" dargestellt wurde (z.B. in den Katakomben Roms per Zauberstab in Jesu Hand), oder was auch immer Israel-Touristen in der Brotvermehrungskirche beim See Genezareth durch den Kopf gehen mag: islamische Gelehrte und Koran-Kommentatoren haben all dem noch eine recht interessante Variante hinzuzufügen.







Darstellung der Brotvermehrung, Syrien ca. 500 n.Chr.




In einer Handschrift des Tabari, erhalten in Konstantinopel, findet sich die Schrift "Mesnewi oder Doppelverse des Scheich Mewlana Dschelal-eddin Rumi" mit dem Kapitel "Geschichte der den Jüngern Jesu gesandten himmlischen Speisetafel":




"Den folgenden Tag, als es Morgen ward, begaben sich alle zu Jesus, welcher die Hände erhob und betete. Das ganze Volk hatte die Augen gen Himmel gerichtet und sah, wie aus der Luft ein Speisetisch herab kam und sich vor Jesus ... niederliess. Dieser Tisch war mit einem Tuch bedeckt. Jesus streckte die Hand aus und nahm das Tuch hinweg; da sah man, dass ausser zwölf Broten nach der Zahl der Apostel ein grosser gebratener Fisch, etwas zerstossenes weisses Salz und etwas Kresse auf dem Tisch lag. Es war damals eine grosse Menge Menschen bei Jesus versammelt, diese alle setzten sich nieder, assen und wurden satt; so oft aber jemand vom Brote, vom Fische oder vom Kraute einen Bissen genommen, war das weggenommene sogleich wieder da, und die Speisen wurden von neuem ganz." Bis zum Abend soll sich die Schar an den Speisen gütlich getan haben, "und es wurde der frühere Bestand nicht um ein Haar vermindert. Als es Abend ward, legte sich der Tisch zusammen und fuhr wieder gen Himmel. Am folgenden Tage kam er vormittags wieder herab, um Abends wieder zu verschwinden. In dieser Weise kam der Tisch drei Tage lange herab."




Auch Baidawi in seinem Koran-Kommentar (Mitte 13. Jh.) berichtet in ähnlicher Weise: "Wie man erzählt, liess sich ein roter Speisetisch zwischen zwei Wolken vor den Aposteln und der Juden Augen nieder, bis er vor ihnen stand... Jesus ... deckte das Tuch auf und sprach: 'Im Namen Gottes, des besten Nahrungsspenders!', und siehe, da war ein gebratener Fisch ohne Schuppen und ohne Gräten, welcher von Fette troff; neben seinem Kopfe Salz, neben seinem Schwanze Essig; und rings um ihn her alle Arten Gemüse ausser Porree. Auch waren fünf runde, flache Brote da ... Da sprach Simon: 'O Geist Gottes! Ist dies eine irdische oder eine himmlische Speise?' - 'Keines von beiden', antwortete Jesus, 'Gott hat sie vielmehr durch seine Allmacht neu erschaffen; esset, was ihr verlangt habt, und seid dankbar...'" Und nach dem Essen "flog der Tisch davon."




Warum steht nichts in den Evangelien von einem solchen "Tisch"? Das ist so nicht ganz richtig. In der Apostelgeschichte wird ein Tisch mit Speisen vom Himmel herab zu Petrus gesandt, und die apokryphen Apostelakten erwähnen das "Erscheinen" einer herrlichen Tafel mit Brot und Wein auf das Gebet des Apostels Matthäus hin.




Die Motive scheinen hier wie allerorten gründlich durcheinandergemixt: mal ist es ein Gegenstand, der die Nahrung spendet, mal ist es die Nahrung selber, die "nachwächst". Ich möchte dies das Schlaraffenland-Motiv nennen: denn welches Kind weiss nicht von den nachwachsenden Bratwurstzäunen, den Lebkuchendachziegeln, bei denen sich jede Lücke sofort wieder füllt, von den herumlaufenden, fertig gebratenen Schweinen und Gänsen, bei denen die abgeschnittenen Keulen gleich wieder da sind, von den Milch- und Weinbächen, den Limonadenpfützen usw.






Schlaraffenland: Zeichnung für Kinder




Und dies alles - wo? Im weit entfernten "Wunderland", wohin "kein Weg noch Steg" führe, "zur lincken handt nahent beym Paradeyse" usw. Das Schlaraffenlandmotiv ist meiner Meinung nach nichts weiter als die ins Groteske verzerrte Variante der mit Endlos-Speise ausgestatteten Götterwohnungen, Paradies-, Anders-, Elfen-, Ober-, Unter- und sonstiger "welten" - einer unlokalisierbaren Örtlichkeit also, wo all diese nichtirdischen Wesen der Mythen hausen oder von denen sie hierher kamen, um die Erde zu besuchen.




Das Fazit aus all diesen und unzähligen ähnlichen Überieferungen kann nur so lauten: Fremde Erdbesucher machten unsere Vorfahren mit mitgebrachter Technologie bekannt, die später als "Zaubergefäss" und "Endlosspeise" usw. in den Mythen und Überlieferungen überdauerte. Dass diese fremde Technologie eines Tages auch für uns realisierbar sein könnte, zeigten ja schon Sassoon's und Dale's "Manna-Maschine" sowie die Photobioreaktoren, die Chlorella-Algen in Nahrung verwandeln, oder Drexler's Nanosteaks. Die Geräte der fremden Erdbesucher mögen weit über all das hinausgegangen sein, was wir uns heute technisch überhaupt vorstellen können. Aber dass solche Gegenstände rund um den Globus in den Mythen und Überlieferungen auftauchen, kann nur bedeuten, dass unsere Vorfahren in einer vergangenen Zeit so etwas real gesehen haben.




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Auf den Spuren des Grals

Suhl 1996